Geschichte

Geschichtliches über Wahle (Kurzform)
von ehem. Ortsheimatpfleger Norbert Tegtbur/ 2021 ergänzt vom Ortsheimatpfleger Dr. Hartmut Hoppenworth

Wahle – Allgemeines und Historie (Kurzfassung)

Wahle ist eines der ältesten Dörfer im Landkreis, 1141 als „Walede“ urkundlich erwähnt.

Am Nordrand des Lößgebietes gelegen, bestehen die Böden der fast 800 ha großen Wahler Gemarkung größtenteils aus sandiger bis lehmiger Braunerde. Es handelt sich durchweg um mittlere bis gute Ackerböden. Der Grünlandanteil ist relativ niedrig und besteht fast ausschließlich aus Wiesen in der Aueniederung (auf Niedermoor und anmoorigen Sandböden mit hohem Grundwasserstand). Fast die gesamte Flur enthält Terrassenkiese verschiedener Qualität. Ein Teil wurde ab Mitte der 1960er Jahren durch Nassauskiesung in den am 1. Rotteweg liegenden Kiesgruben abgebaut. Der im Norden gelegene ca. 140 ha große Wahler Wald, der größtenteils von der Forstgenossenschaft anteilig als Gemeinschaftswald bewirtschaftet wird, besteht zu zwei Dritteln aus Laubhölzern und zu einem Drittel aus Mischbeständen.

Wahle war schon früh ein großes Dorf. Seine Uranlage ist nur schwer zu ermitteln, weil es im 14. Jahrhundert Einwohner der Wüstung Klein Wahle (1226 Walete minor, 1344 lutteken Wolde) integrierte. Die Flur von Kl. Wahle wurde von Wahle aus weiterbewirtschaftet. Es wird vermutet, dass Wahle um 1400 auch Bauern aus Vechelde aufnahm, nachdem Burg und das Dorf Vechelde an die Stadt Braunschweig verpfändet worden war. Zugleich war Wahle früher lange Zeit das reichste Dorf in der ganzen Umgebung. Dazu trug insbesondere auch der Gesundbrunnen in der Wahler Aueniederung bei, der 1618 durch einen Erdfall entstand. Er machte die Ortschaft seinerzeit überregional bekannt. Tausende Kranke besuchten den Heilbrunnen. Es handelte sich hierbei um einen kaliumchloridhaltigen Brunnen, hervorgerufen durch Auslaugung und Abbruchserscheinungen am Rande des unter der Aueniederung liegenden Kalisalzkörpers.

Der 1951 entstandene 9m tiefe Erdfall zwischen W. und Vechelade ist übrigens auf gleiche Auslaugungserscheinungen zurückzuführen. Leider verlor sich die Kraft des Wahler Heilbrunnens. Anfang des 18. Jahrhunderts war er ausgetrocknet. Heute erinnern nur noch der Flurname Brunnenwiese, der als „Bröhnenweg“ bezeichnete Feldweg und das zum Andenken an den Gesundbrunnen vom Heimat- und Kulturverein erbaute „Brunnenhaus“ an den Kurort „Bad Wahle“. Am 5.5.1788 erlebte Wahle den „schwärzesten“ Tag seiner Geschichte, als durch eine Feuersbrunst 24 von insgesamt 42 Gebäuden vernichtet wurden. An dieses Unglück erinnert noch heute die Inschrift auf dem Hausbalken des Hauses Schmiedestr.4 (Mitteldeutsches Doppeldälenhaus) aus dem Jahre 1788.

Entscheidenden Einfluss auf die Landwirtschaft und die Sozialstruktur des Dorfes hatten Mitte des 19. Jh.´s die Agrarreformen des Herzogtums Braunschweig. Die Aufhebung aller bisherigen grundherrlichen, genossenschaftlichen und sozialen Bindungen beendete die fast 1000 Jahre lang bestehende überkommene Agrarstruktur. Die reformerischen Maßnahmen führten im Ergebnis zu verbesserten Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft, förderten die Mobilität der Bürger und machten schließlich u.a. auch den Weg frei für die beginnende Industrialisierung. Während zu Beginn des 20. Jh´s noch die landwirtschaftliche Bevölkerung dominierte, zogen im Zuge der Industrialisierung immer mehr Arbeiter ins Dorf, die außerhalb des Ortes tätig waren.

Mitteldeutsche Dreiseit- und Hakenhöfe, Reste von Niedersachsenhäusern, teilweise um- und angebaut, und als Mischform quergestellte Hallenhäuser, sogenannte Querdälenhäuser, bestimmen heute noch weitgehend den alten Ortskern. In den letzten Jahrzehnten erweiterte sich das Dorf nach Süden, Norden und Osten durch moderne Eigenheime, Bungalows und Siedlungshäuser. Heute hat Wahle über 1800 Einwohner und ist nach Vechelde die zweitgrößte Ortschaft der Gemeinde.


Die Wahler Kirche

Unsere Wahler Kirche wurde im Jahre 1494 im romanisch-gotischen Stil erbaut. Der älteste Teil ist der Turm, der im Jahre 1779 umgebaut wurde; er stellt – wie überall – den westlichen Teil unseres Gotteshauses dar und unser Altar den östlichen Teil. Während 1907 die Pfarre Wahle mit Fürstenau und Sophiental mit dem über 3 Jahrzehnte amtierenden Pastor Theodor Freytag zur Inspektion Timmerlah – Wendeburg gehörte, bildet seit langem unsere Pfarre Wahle mit den Gemeinden Fürstenau und Sophiental einen Pfarrverband. Das Pfarrhaus befindet sich in Wahle und hatte ursprünglich eine Grundstücksgröße von 0,5 ha. Der östliche Teil des Gartens ist vor etwa 35 Jahren zur Bebauung verkauft worden. Neben der kleinen Schlagglocke bereicherten unseren Turm 2 große Glocken. Eine davon wurde ein Opfer des 1. Weltkrieges – sie wurde eingeschmolzen.Die Glocken stammen aus dem Jahre 1802.Nach einer jahrelangen Spendenaktion gelangten wir im Jahre 1976 wieder zu einer 2. Großen Glocke, die die Inschrift „ Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu allen Zeiten, „ trägt – während die 1. Glocke aus dem Jahre 1802 mit der Inschrift „ Kommt zum Hause des Herrn mit Danken und zu seinen Vorhöfen mit Loben “ versehen ist. Das Alter unserer Kirchturmuhr ist nicht bekannt; nur ein älteres Erneuerungsdatum – es soll 1619 gewesen sein. Unsere Orgel stammt aus dem Jahr 1857.

Die Frauenhilfe ließ die im Kirchenvorraum stehende „Truhe“ restaurieren.Diese alte „Holzkiste“, wie man sie bislang betrachtet und auch dementsprechend genutzt und mit mehrfachen Farbanstrichen versehen hatte, entpuppte sich aufgrund der Nachforschungen des damaligen Ortheimatpflegers Walter Tegtbur als ein wahres Kleinod! So stellte sich heraus, dass diese sogenannte „alte Holzkiste“ als Opferstock für unseren Wahler Gesundbrunnen angefertigt wurde und dort am 14. 12. 1618 aufgestellt wurde.

Die Gedenktafeln im Vorraum der Kirche erinnern an unsere in beiden Weltkriegen gefallenen und vermissten Soldaten.Gedenktafeln hierüber befinden sich ebenfalls am Ehrenmal vor der Kirche.Diese sind zum Volkstrauertag 1995 angebracht worden.Zusätzlich befindet sich seit einiger Zeit im Kirchenvorraum eine Marmorplatte, wo die Kriegsteilnehmer 1870 – 1871 des Deutsch-Französichen Kriegs aufgeführt sind.


Was geschah vor 400 Jahren ?

Im Jahre 1605 kam es wieder einmal zu Feindseligkeiten zwischen der Stadt Braunschweig und dem in Wolfenbüttel residierenden Herzog Heinrich-Julius, dem die Stadt Braunschweig hartnäckig die Huldigung verweigerte.Der Herzog ließ die Zufuhren für die Stadt sperren und verfügte eine Beschlagnahme sämtlicher Aufkünfte der Stadtbraunschweiger aus dem Lande und andere Maßnahmen gegen die Stadt. Auf diese scharfen Maßnahmen antwortete die Stadt mit Ausfällen und Streifzügen in die herzoglichen Dörfer, bei denen furchtbar mit Plündern, Brennen und Morden gehaust wurde, – wie es damals heißt. Bei einem dieser Ausfälle und Streifzüge der Stadtbraunschweiger wurde im Jahre 1605 auch Wahle geplündert.Der damalige Pastor Michaelis hat dort wo heute die Kanzel steht, folgende Verse an die Mauer setzen lassen:

„Tausend sechshundert fünff Jahr
Als Braunschweig belagert war
Und Herzog Heinrich Julius
Der Fromme Fürst regieren muß
Glocken, Altar und Meß-Gewand
Wie auch Mannes und Weiber Tand
Dazu des Turmes Knopf und Spitzen
hat für den Dieben nicht können sitzen“
Diese Reime sind später überkalkt worden. Bei der Renovierung der Kirche in den Jahren 1973/74 wurde der Putz abgeschlagen. Falls die Verse noch unter der Kalkschicht vorhanden gewesen sein sollten, sind sie damit für immer ver- schwunden. Der zerstörte Altar wurde erst nach 1618 wieder aufgebaut. Dieses geschah durch die Herzogin Elisabeth, Gemahlin des Herzogs Heinrich-Julius, Tochter Friedrich II, König von Dänemark. Sie hatte, nachdem sie im Jahre 1618 durch das Wasser des derzeitigen Wahler Gesundbrunnens ihre Gesundheit wiedererlangt hatte, aus Dankbarkeit diesen Altar gestiftet und mit 2 Gemälden verziert. Auch von diesen Gemälden und Inschriften ist durch spätere Renovierungen leider nichts mehr vorhanden.


Feuersbrunst (1788) und das Gebäude Schmiedestr. 4

Im Jahre 1788 kam es hier in unserem Dorf zu einer Katastrophe, als durch eine Feuersbrunst 24 Gebäude vernichtet wurden. An dieses Unglück erinnert noch heute die Inschrift auf dem Hausbalken des Hauses Schmiedestr.4 (Mitteldeutsches Doppeldälenhaus) aus dem Jahre 1788:

„Gedenke den 5 ten May 1788 das hir Wahle24 Gebeude durch Feuersbrunst in Asche gelegt sey. Friedrich Kamp – Ilse Cattrina Plaggen- Meister T.Ch. Breymann – 7 ten Juli 1788“.

Wenn man diese beiden Zahlen mit einander vergleicht – von 42 Gebäuden 24 in Asche gelegt – kann man ermessen, wie verheerend sich diese Feuersbrunst auf unser Dorf ausgewirkt haben muss. Wenn man sich dieses Beschreibung unseres Dorfes einmal vorstellt:

  • alle Häuser – außer der Kirche – mit Stroh gedeckt,
  • die Feuerstellen durch Mauern begrenzt,
  • hölzerne Rauchfänge,
  • wenige Schornsteine,
  • und wenige Brunnen ( im Jahre 1839 hatte die Gemeinde 2 öffentliche Brunnen – einer vor dem Kuhhirtenhaus und einer vor dem Schweinehirtenhaus).

Und wenn man weiter bedenkt, mit welchen Mitteln man ein Feuer bekämpfen sollte – wir hatten hier noch keine sogenannte Feuerspritze – so kann man sich gut vorstellen, wer der Unterlegene bei einem ausbrechenden Feuer mit etwas Wind war – nämlich der M e n s c h ! Geeignete Maßnahmen zur Feuerverhütung und Feuerbekämpfung wurden eigentlich erst nach 1800 ergriffen – ebenso wurde die Brandversicherung eingeführt. Am 15. Oktober 1832 trat eine Feuerordnung in Kraft, die mit ihren Paragraphen Feuerverhütung und Feuerbekämpfung regelte.Kraft Gesetzes wurde 1837 der Versicherungszwang für alle Gebäude eingeführt.


Noch etwas zum Haustyp Schmiedestraße 4

Niederdeutsches Doppeldälenhaus. Große Hofanlage mit einzeln stehenden Gebäuden. Wirtschaftsgebäude von 1788 – neben der Einfahrt der Schweinestall – im Südosten die Scheune von 1854 bis 1868. Wohnwirtschaftsgebäude als zweigeschossig abgebundener Fachwerkbau zum Teil verputzte Lehm-, vielfach in Ziegel- und zum Teil als Zierausfachungen. Integrierter quererschlossener Wirtschaftsteil mit nachträglich nach hinten versetztem Scheunentor.Der Mittelteil des Ostgiebels im Erdgeschoss ist – braunschweigtypisch – aus Feuerschutzgründen in Ziegelbauweise ausgeführt.


Schlauchturm – Feuerwehrhaus Wahle


Der Schlauchturm ist ortstypisch für freiwillige Feuerwehren der Dörfer. Er muss in den Jahren 1926 – 1928 gebaut worden sein, denn 1928 wurde mit der neuen Feuerwehrsirene der erste Probealarm ausgelöst.


Gedenkstein


Er wurde anlässlich unserer 850-Jahrfeier im Jahre 1991 aufgestellt. Der Stein soll nicht nur an die erste urkundliche Erwähnung Wahles im Jahre 1141 sondern auch die wechselvolle Geschichte unseres Ortes erinnern. Der Findling wiegt 80 Zentner. Er wurde hier in der Wahler Kiesgrube gefunden und von der Firma Lüddecke gestiftet.